England ist ein Land in Angst. Den Eindruck kann man zumindest bekommen, wenn man so die ganzen Sicherheitsvorkehrungen hier betrachtet. Großbritannien gilt als das Land mit den höchsten Anteil an Überwachungskameras (hier spricht man von "Closed-circuit television" - CCTV) pro Einwohner. In jedem Laden, auf jedem Platz und überall an der Uni lassen sie sich finden. Allerdings sind sie sehr gut getarnt und man sieht oft gar nicht. Analog zu Michel Foucaults Konzept von Überwachung und Strafen, kann man diese Überwachungsanlagen als Disziplinierung der Gesellschaft verstehen. Für Leute, die sich mit Post-Strukturalistischer Philosophie nicht so auskennen: Die Idee dahinter ist einfach folgende. Die Überwachungskamera ist kaum zu sehen, aber durch Schilder und ähnliches weiß man, dass sie da sind. Die betroffenen Bürger sollen allein deshalb diszipliniert werden und keine Verbrechen oder Ordnungswidrigkeiten begehen. Das funktioniert theorethisch sogar wenn kein Mensch "auf der richtigen Seite des Flachbildschirms" die Überwachungskamera beobachtet.
Ob die Dinger wirklich Verbrechen verhindert, sei dahin gestellt. Ein ungutes Gefühl geben sie in jedem Fall. Und das geht auch weiter als nur die Kameras. Am Wochenende muss man sich in der Uni auch Ausweisen. Wenn man kein Student ist, wird man einfach rausgeschmissen. Und wenn man Student ist, muss man mehr oder weniger rechtfertigen was man an der Uni tut. Das ist schon alles ein wenig komisch.
So fragte mich letzten Sonntag eine ältere Dame in einer Sicherheitsuniform nach meinem Ausweis. Vorher hat sie allerdings einfach die Windowstaste auf dem Rechner an dem ich saß betätigt, um herauszufinden mit welchen Namen ich eingelogt bin. Sie wollte wohl checken ob ich auch der bin, dessen Ausweiß ich habe. Danach fragte sie mich was ich denn eigentlich am Wochenende an der Uni mache.
Nebenbei gesagt ist Großbritannien ja auch das "Big Brother" Heimatland. Damit meine ich nicht die voyoristische Fernseh-Sendung (die kommt glaube ich aus Holland), sondern den Roman von Georg Orwell, aus dem der Name her ist. Zwar ist die Welt nicht wie in 1984, aber dennoch sind wir heute in Großbritannien dem wohl so nahe wie noch nie. Zumindest was die demokratisch-liberale Staaten angeht.
Genau wie in Deutschland werden allerdings die freiheitlichen Bürgerrechte in den letzten Jahren eingeschränkt. So lernte ich in meiner Vorlesung "Social Geography" oder Staatsbürgerkunde wie ich sie gerne nenne, dass der britische Staat seit 2000, also vor dem 11. September 2001 und dem 7. Juli 2005, immer mehr Anti-Terrorgesätze verabschiedet. Zwar tragen britische Polizisten keine Pistole. Bei einem unbegründeten Terrorverdacht können sie jeden im Land (egal ob Brite, Ausländer oder Europäer) für eine Woche festsetzen. Ohne Richter und ohne wirkliche Begründung...
Die Phrase "auf der richtigen (oder falschen) Seite des Flachbildschirms" habe ich übrings aus dem Lied "Fake for Real" von Kettcar gezogen. Was genau das Lied eigentlich meint ist eine Interpretationsfrage. Ich denke es geht (unter anderem) um das Wechselspiel zwischen Fernsehbespaßung und unmenschliche Überwachung (besonders in der Arbeitswelt).
Ich habe übrings vier Jahre gebraucht um Post-Strukturalistische Theorien oder die Texte von Kettcar zu verstehen. Und ich bin mir auch gar nicht sicher ob ich es inzwischen verstanden habe.
Aber wie heißt es so schön: "Man lernt nie aus"
Langsam schwinden meine Sympathien für England - nach dem, was Du so erlebst. Wohnungskontrollen, Computerkontrollen usw. Bisher war ich positiv an Überwachungskameras herangegangen - nach dem Motto, wer nichts zu verbergen hat, kann sich auch filmen lassen. Das finde ich nach wie vor okay, aber das andere...
AntwortenLöschenMal sehen, was da von Dir noch so Interessantes kommt zu diesem Thema.
Liebe Grüße
wer nichts zu verbergen hat, braucht auch die Toilettentür nicht zu zumachen ... wo ist die Grenze?
AntwortenLöschenSofern man sich von der restlichen Literatur zu dem Thema unterfordert fühlt, emfehle ich tatsächlich mal Foucaults zu lesen.
AntwortenLöschenSeine Werke findet man günstig in gut sortierten Antiquariaten (sofern es das gibt) in jeder deutschen Universitätstadt.