Heute kommt, der versprochene Exkurs über die, zur Zeit sehr interessante, Situation in der englischen Politik. Wie man auch den heimischen Medien entnehmen konnte, waren am im Mai hier in Großbritannien Wahlen. Der selbst gerade erst neue Primierminister Gordon Brown, welcher 2007 den unpopulären gewordenen Tony Blair abgelöst hatte, musste sich der Wiederwahl stellen, obwohl er selbst keine Wahl vorher als Spitzenkanidat gewonnen hatte (musste es allerdings auch nicht). Auch bekannt ist sicherlich, dass er diese Wahl verloren hatte.
Um die Gründe dafür zu verstehen will ich kurz die Vorgeschichte erklären, die gar nicht so unterschiedlich ist zu der jüngsten deutsche Politikgeschichte ist. 1997 hat Tony Blair äußerst erfolgrich eine lange Regierungszeit (18 Jahre) der Konservativen (oder Tories - das britische Gegenstück zur CDU) beendet. Er selbst war Kanidat von Labour, eine Art SPD Britanniens. Da ergeben sich schon viele Parallelen zum Wahlsieg 1998 von Gerhard Schröder (er löste damit nach 16 Jahren Helmut Kohl ab). Blair hat mit dem Schlafwort "new Labour", Schröder mit der "neuen Mitte" gewonnen, was in beiden Fällen eine Öffnung der traditionell linken Parteien gegenüber der (wirtschafts-)liberalen Mitte bedeutete.
So siegreich sie damit auch Ende der 90er waren, so bedeutete ihre Politik (zum Beispiel Abbau des Sozialstaats oder Kriegseinsätze im Ausland) doch eine Verprellung ihres "Stammklientels".
Schröder war 2005 am Ende, Blair 2007. Das sich Labour dennoch 13 Jahre an der Spitze behaupten konnte (die SPD nur 11 Jahre, inkl. 4 als Juniorpartner der Union) liegt an einer Besonderheit des britischen Wahlrechts.
In Britannien gilt nämlich nicht das Verhältniswahlrecht wie bei uns, sondern das Mehrheitswahlrecht. Das bedeutet, dass ein Abgeordneter in Britannien (hier nur "MP" genannt) immer seinen Wahlkreis gewinnen muss um ins Parlament einzuziehen. Hier gibt es keine Listen und keine Zweitstimme. Das bedeutet, dass die großen Parteien (Labour und Tories) stark im Vorteil sind. Bei der Wahl 2005 zum Beispiel erreichte Labour 35% der Stimmen, bekamen aber ca. 55% der Sitze im Parlament. Deswegen gibt es hier normalerweise lange Regierungszeiten und Regierungen von nur einer Partei. Normalerweise...
Aber in der Wahl vom Mai ist etwas passiert, was zuletzt 1974 passiert ist. Keiner der beiden großen Parteien hat eine eigene Mehrheit. Deswegen hat Großbritannien zur Zeit eine Koalitionsregierung, was wirklich ungewöhnlich ist. Neuer Primier ist der relative junge David Cameron, welcher als, für einen Konservativen, recht liberal gilt. Anders als seine Vor-vor-vor-vorgängerin Magaret "the iron lady" Thatcher. Aber wirklich liberal ist sein Koalitionspartner die "Liberal Democrat" oder LibDems. Das ist so eine Art Mischung zwischen FDP und Grüne, welche regelmäßig 20% der Stimmen aber unter 10% der Sitze bekommt. Sie haben sich immer als dritte Wahl zwischen Labour und Tories präsentiert und waren noch nie in der Regierung. Ihr Vorsitzender Nick Clegg ist nur Vize-Primier, was diesmal auch was bedeutet.
Seit Mai hat also Großbritannien so eine Art Experiment-Regierung, die von der Presse und den Leute sehr skeptisch beäugt wird.
Die Regierung hat vor allem erstmal viel abgeschafft. Bürokartie, Staatsbedienstete und soziale Leistungen. Allgemein wird der Regierung ein wenig Unfährigkeit, Aktionismus und Unerfahrenheit vorgeworfen (kommt mir irgendwie bekannt vor). Den LibDems im speziellen wird auch Verrat an den eigenen Idealen/ Wahlversprechen vorgeworfen, bzw. sich für die Macht "verkauft" zu haben (kommt mir auch irgendwie bekannt vor). Die wenigsten politischen Beobachter gehen übrings davon aus, dass dies auf lange Zeit gut geht.
Labour hat sich überigs vor drei Wochen auch neu aufgestellt. Der auch relativ junge Ed Miliband ist neuer Parteivorsitzender und hat sich dabei gegen seinen eigenen Bruder durchgesetzt. Er will für die "traditionellen" Labour-Werte also soziale Sicherung und Solidarität einstehen und wirft der Regierung sozialen Kahlschlag vor (er nennt es nur anders). An welchen deutschen Politiker erinnert er mich nur?
Ich habe auch wieder eine Frage:
Ich habe erklärt das Koalitionsregierungen in Britannien ungewöhnlich sind. Nun soll geschätzt werden wie lange die Koalitionsverhandlungen gedauert haben? Gesucht ist der Zeitraum zwischen den Parlamentswahlen und der Vereidigung der neuen Regierung in Tagen.
Ich glaube, so lange haben die nicht gebraucht - jedenfalls gemessen daran, was sie sich für Sorgen gemacht haben. Ich tippe auf 37 Tage.
AntwortenLöschenH.
Naja, die haben ja nicht so viele andere Parteien, mit denen sie taktieren könnten.
AntwortenLöschenIch sag mal 4 Wochen.
Liebe Grüße
Ich glaube, die haben gar keine Koalitionsverhandlungen geführt, das hat die Königin einfach bestimmt nach dem Wahlergebnis. Zu irgend etwas politischem muss sie doch gut sein für ihre "british sujects".
AntwortenLöschenAlso ging das sehr schnell, eine Woche oder so?
Gruß Pinatch
Ich löse es mal auf:
AntwortenLöschenDie Wahl war am 6. Mai.
Es wurden sehr wohl Koalitionsverhandlungen geführt. Zwischen Labour und LibDems und zwischen Tories und LibDems.
Am 11. Mai erklärte Gordon Brown die Verhandlungen von Labour für gescheitert und trat als Primierminister zurück. Am selben Tag (!) erklärte die Queen David Cameron zum neuen Chef der Regierung. Dieser bildete dann in den nächsten Tagen sein Kabinett aus Tories und LibDems.
Somit vergingen nur 5 Tage zwischen Wahl und Ernennung der neuen Regierung.
Zwar hat die Queen diese ernannt, aber über den Zeitpunkt und die Wahl verfügte sie nicht. Sie handelte da völlig nach Protokoll. Das ist aus der deutschen Perspektive etwas merkwürdig, aber so läuft es auf der Insel.
Pinatch kriegt natürlich den Punkt.