Freitag, 10. Dezember 2010

Der Studentenprotest geht immer noch weiter

Gestern konnte man bei der BBC sowas wie einen Politkrimi verfolgen. Gestern sollten nämlich die seit Wochen und Monaten diskutierten Erhöhungen von Studiengebühren in Westminster im Parlament verabschiedet werden. Wer noch nie eine Debatte im englischen Parlament gesehen hat, ist wahrscheinlich überrascht wie wenig konstruktiv dort debattiert wird. Es ist noch extremer als in Deutschland, denn in Großbritannien wurde das Redeparlament erfunden. Im House of Commens wird geschimpft, gejohlt und dazwischen geredet, wärend ein paar Herren mit weißen Perücken versuchen sehr britisch alles zu leiten. Hat manchmal ein wenig was von Improvisation-Comedy.
Spannend war es vor allem deshalb, weil man sich nicht sicher war wie viele Abgeordnete der Regierung den deutlich erhöhten Studiengebühren zustimmen würden. Für den kleine Koalitionspartner die LibDems (Liberale), die, zur Erinnerung, zum ersten mal in der Regierung sind und zusammen mit den Tories (Konservativen) die erste Koalition seit dem zweiten Weltkrieg bilden, ging es um viel. Die LibDems haben nämlich im Wahlkampf immer gesagt, dass sie keine Erhöhung mittragen würden. Und gerade weil sie als so progressiv und als realistische Alternative neben Labour und Tories gesehen wurden, hatten sie bei den Wahlen verhältnismäßig großen Erfolg. Vor allem junge Menschen und Studenten haben sie gewählt. Sie wollten damals eine andere Politik.
Tatsächlich haben weniger als die Hälfte der LibDems für die Erhöhung gestimmt. Auch ein paar Konservative haben dagegen gestimmt und im Vorfeld sind 2 LibDems und ein Tory aus der Regierung zurückgetreten. Die britische Regierung ist ein wenig größer als die deutsche und besteht aus fast 100 Personen, von denen 25 bis 30 Minister sind. Es gibt zum Beispiel auch einen Olympia-Minister. Allerdings sind keine wichtigen Personen zurückgetreten und die Erhöhung kam dennoch durch, auch wenn es eine kleine Blamage für die Regierung war.
Viele Studenten die parallel vor Westminster auf der Straße waren haben lautstark und teilweise gewaltätig ihrem Ärger Luft gemacht. Sie sind verständlicherweise besonders auf die LibDems und ihrem Chef Nick Clegg sauer, weil sie ihnen ja zur Macht verholfen haben und jetzt sehr enttäucht von denen sind.
Und in den Medien konnte man auch lesen, dass sie auch vor dem Prince of Wales und der Polizei teilweise nicht halt gemacht haben. Die Britische Gesellschaft ist daran nicht gewöhnt und an vielen Reaktionen und Statements lässt sich das ablesen.
So sehen konservative Politiker, allen voran der Premier Cameron gerade Tendenzen die mit "aller Macht" gestoppt werden müssen. Ein Reporter fragt einen demonstrierenden Studenten warum er noch auf die Straße geht. Der Beschluss sei ja durch und kann wird wohl auch nicht zurückgenommen. Der Student ging ohne ein Wort. Außerdem lobt der Polizeichef von London die Personenschützer von Prince Charles für ihre Zurückhaltung. Sie seien ja immerhin bewaffnet gewesen.
Ich frage mich da doch ein wenig was die Leute von den Studenten so erwarten. Junge Menschen, werden von ihrer Regierung, die sie zum Teil selbst gewählt haben, im Stich gelassen und sagen das auch. Einige reagieren etwas über und wenden Gewalt an. Das ist sicherlich problematisch und ich bin auch immer sauer wenn sowas passiert, aber ich kann es sehr gut verstehen. Sollen sie das einfach alles kommentarlos hinnehmen? Was heißt mit "aller Macht" stoppen? Wen genau überhaupt? Und warum ist es löblich, dass bewaffenete Bodyguards Studenten, die Farbbeutel werfen und gegen Autos treten nicht gleich erschießen. Das sollte doch völlig normal sein.
Ich habe wirklich das Gefühl, dass die britische Öffentlichkeit viel zu sehr daran gewöhnt ist alles hinzunehmen was ihnen von ihrer Elite aufgedrückt wird, dass sie völlig verstört reagieren wenn junge Menschen das mal nicht machen. Anstatt zu fragen warum Radalierer das Auto des Prinzen erreichen konnten, sollte man sich vielleicht ein wenig mehr um alternative Lösungen für die Probleme dieser Radalierer kümmern. Aber darüber redet man kaum in den britischen Medien. Oder in den Deutschen.

2 Kommentare:

  1. Die Studentenproteste kann ich verstehen, denn wie soll ein "normaler" junger Mensch diese Gebühren aufbringen? Das ist in D schon sehr schwer. Gibt es dafür in GB Kredite oder so etwas wie Bafög bei uns?
    Schönen dritten Advent und liebe Grüße

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  2. Es gibt ein staatliches Kreditsystem. Man meldet sich an (ich glaube weitesgehend ohne Bedingungen) und muss erst bezahlen wenn man abgeschlossen hat und einen halbwegs bezahlten Job hat. Der Kredit ist soweit ich weiß Zinsfrei. Es ist also vergleichbar mit dem deutschen Bafög.
    Dennoch steht man im normalfall am Ende mit 27.000 Pfund Schulden da, die erstmal wieder abbezahlt werden müssen, egal ob man einen Job hat oder nicht. Das kann zum Beispiel einen schon zwingen bestimmte Jobs anzunehmen und auch die Familienplanung könnte das beeinträchtigen. Alleine die Vorstellung von so hohen Schulden könnte junge Menschen abschrecken.
    Die größte Befürchtung ist allerdings, dass die Regierung(en) in der Zukunft die Sachen weiter verschärfen, indem sie zum Beispiel die genannte Förderung einfach absetzten. Schließlich wurde bei der Einführung vor 10 Jahren von 1000 Pfund pro Jahr auch versichert, dass es nicht steigen soll...

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