Wie man vielleicht schon mal gemerkt hat, zumindest wenn man diesen Blog öfters ließt, bin ich Sozialwissenschaftler (und offensichtlich kein Germanist). Das führt dazu, dass meine Beobachtungen und in der Folge meine Berichte einen Inhalt haben, die vielleicht nicht jeden interessieren. Aber das Schöne an diesem Blog ist, dass ich ihn schreibe und das mich das deshalb gar nicht interessieren braucht.
Vielleicht wären die meisten Menschen an dem Schild rechts, einfach vorbeigelaufen, ohne sich weiter darüber Gedanken zu machen. Aber dieses Schild, was ca. 100 Meter von meinem Haus steht und damit meine Nachbarschaft unter einen besonderen Schutz stellt (?), sorgte dafür, dass ich mich mehr damit beschäftige. Gleichzeitig studiere ich etwas, was mir sogar tatsächlich dabei hilft dies zu verstehen (habe ich jemals erwähnt, dass ich mein Studienfach mag?).
Hinter dem Schild steht nämlich sehr viel und vielleicht interessiert es außer mir auch andere Menschen. 1979 war England ein Land, was irgendwo zwischen alten Glanz und modernen Zeiten steckengeblieben war und als kranker Mann Europas bekannt war. In diesen Zeiten wurde in Großbritannien, als erste Frau überhaupt, Margaret, die eiserne Lady, Thatcher Premierministerin. Es gab viele Dinge die sie nicht mochte: Argentinien, Deutschland oder Europa gehörten dazu. Ein starker Staat auch. Sie und ihre neoliberalen Kollegen sahen darin den Grund für die schlechte Wirtschaftslage. Deswegen hatte sie die größten Kürzungen in der britischen Nachkriegsgeschichte durchgesetzt (genau wie die jetzige Regierung). Und genau wie die jetztige Regierung wollte sie dies durch viel freiwilligen Arbeit und Ehrenämter ersetzten.
Und an der Stelle wird dieses Schild interessant. Freiwillige Tätigkeit ist in Englang sehr viel wichtiger als in Deutschland. Viel "Volunteering", das wird einem hier oft gesagt, ist zum Beispiel wichtig bei der Jobsuche. Wenn man einen guten "CV" (curriculum vitae - Lebenslauf) vorweisen kann, dann hebt man sich von dem "normalen" Bewerber ab. Dies wird im Diskurs auch in Deutschland immer wichtiger, aber ist sicherlich noch nicht so ausgeprägt wie hier. Diese "freiwillige" Bereitschaft bildet ein Reservoir für Arbeitskräfte, die man nicht bezahlen muss und normale Arbeitskräfte ersetzen können. Im konkreten Fall Polizisten. Tatsächlich wurde in den 80ern viele Polizeistellen gestrichen und im Gegenzug Nachbarschaftswachen geschaffen, in denen Bürger auf Bürger aufpassen (oder eher überwachen?).
In der Theorie eigentlich eine nette Idee, aber dummerweise will und kann nicht jeder das Leisten, was Polizeiarbeit ausmacht. Außerdem ist das durchschnittliche Nachbarschaftswache-Mitglied ein männlicher älterer Mensch aus der Mittelschicht. Das bedeutet in den Problembezirken innerstädtischer Quartiere fehlen genau solche Wachen, obwohl sie am ehesten genau dort brauchen würden.
Gleiches gilt auch für die Bereiche Gesundheit, Bildung oder Sozialdienste. Staatliche Dienste durch Freiwilligenarbeit zu ersetzten funktioniert einfach nicht so wirklich. Auch wenn liberale Politiker das gerne so hätten.
Den älteren Herren, den ich öfters immer um den Block laufen sehe, grüße ich übrings immer sehr freundlich...
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