Samstag, 18. Dezember 2010

Britische Weihnachten VI

Wenn man sich in den britischen Gefilden des World Wide Webs bewegt, der kommt nicht darum festzustellen, dass die Musik für die Briten zu Weihnachten sehr wichtig. Und zwar nicht um irgendeine Musik, sondern um die beliebteste. Wer in Großbritannien einen Nummer-Eins-Hit in den Charts plaziert, dem wird auch international einen großen Erfolg bescheinigt. Man sagt, dass eine hohe Chartplazierung in England, anders als in anderen Ländern, viel mehr ein Ausdruck von Geschmack und Anspruch sei. Das kann (und sollte) man natürlich in Frage stellen, aber Fakt ist, dass deswegen die britischen Charts in der Weihnachtswoche, besondere Aufmerksamkeit zuteil wird. So ist dies Thema in den Nachrichten und man findet auch einen Countdown für den Zeitpunkt der Verkündung (morgen um 19 Uhr GMT/ 20 Uhr MEZ). Viele bekannte Musikstücke der letzten Jahrzehnte wurden durch den ersten Platz an Weihnachten in Britannien "geadelt". Die Beatles, Queen oder auch die Spice Girls (zum Thema anspruchsvoll) haben dies sogar mehrfach erreicht.
Anders als ich es in Deutschland gelesen habe, gehört übrings Wham!'s "Last Christmas" nicht dazu. Es unterlag 1984 Bob Geldofs "Do they know it's christmas?". Dieses "geschmackvolle" Stück hat es sogar dreimal mit unterschiedlichen "Band Aids" an Weihnachten auf Platz eins geschafft. Neben 1984 auch 1989 und 2004.
Nach 2004 hat es übrings viermal in Folge der jeweilige Sieger von der "X-Factor"-Castingshow rund um Simon Cowell, der Dieter Bohlen Englands, geschafft.
Daran wird deutlich, dass es hier um mehr geht als nur um die reine Geschmacksfrage, welches Lied das beste sei. Es geht wie so oft ums Geschäft. X-Factor hat dies nur auf die Spitze getrieben.
Der britische Weihnachtsfilm "Tatsächlich ... Liebe - Love Actually" hat 2003 da schon eine kleine Kritik formuliert. So hat ein Charakter aus dem Episodenfilm, ein altender Rockstar (herrlich gespielt von Bill Nighy), eine mittelprächtige Coverversion von "Love is All Around" eingespielt, um doch noch ein wenig Geld zu verdienen. Er ist allerdings so ehrlich und gibt zu, dass das Lied Schrott sei, man es aber dennoch kaufen sollte. Weil er selbst nicht an seinen Erfolg glaubt, verspricht er im Falle eines Nummer-Eins-Hits an Weihnachten, in der Sendung von Elton John einen Strip hinzulegen. Und wie durch ein (Weihnachts-)Wunder hat er an Weihnachten seinen Nummer-Eins-Hit und so lässt er die Hose runter im Live-Fernsehen.
Etwas deutlichere Kritik hatte im letzten Jahr Erfolg. Über Facebook und Twitter hat sich ein Protest gegen X-Factor formiert. Eine große Anzahl von Menschen wollte nicht wieder einen Hit von den Castingsshows zulassen und haben sich stattdessen verständigt gezielt im Internet (zählt auch für die Charts) ein anderes Lied zu kaufen. Passenderweise war es das Stück "Killing in the Name" von "Rage against the Machine". Das Stück ist eine Kritik an dem blinden Gehorsam gegenüber der Obrigkeit und dem Kapitalismus. Passt also! Und es wurde tatsächlich 2009 17 Jahre nach der ursprünglichen Veröffentlichung ein Nummer-Eins-Hit. Und zwar an Weihnachten.
Dieses Jahr hat sich wieder eine Internetgemeinde gefunden, um diesen Erfolg zu wiederholen. Unter dem Motto "Cage against the Machine" wurde das Stück "4:33" des Komponisten John Cage gewählt. Cage ging es wohl weniger um direkte Gesellschaftkritik, sondern primär eher um eine Kritik der normaleb Musik an sich. In dem Stück wird nämlich 4 Minuten und 33 Sekunden lang einfach gar nicht gespielt. Man soll die Stille wieder entdecken oder es zumindest versuchen.
Ob wir Weihnachten deswegen eine "Stille Nacht" haben werden, wird morgen um 19/ 20 Uhr rauskommen...

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