Freitag, 5. November 2010

Britisches (Un)Ordnungssystem

Wenn man ein Land kennenlernen will und verstehen will wie es "tickt", dann ist es hilfreich sich anzuschauen wie man Sachen organisiert. Völlig egal ob es dabei um privates, geschäftliches oder staatliches geht. In Deutschland plant man erst, dann handelt man. In Südeuropa handelt man erst und plant hinterher. In Nepal oder Ägypten sucht man vergeblich nach einer logischen Planung.
In Britannien gibt es eine Planung. Diese Planung zu verstehen erfordert allerdings mehr als ein Geographiestudium. Es ist so ähnlich wie mit der englischen Sprache. An sich ist sie nicht sehr kompliziert, hat aber gefühlt so viele Ausnahmen dass man sich auf die Regeln sowieso nicht verlassen kann. Nehmen wir zum Beispiel die Maßeinheiten. Wenn man Auto fährt dann werden Entfernungen in Meilen und Yards angegeben. Geschwindigkeiten in mph manchmal aber auch in kmh. Höhen werden in Fuß gemessen, manchmal in Metern. Die Länge der Pfeile, die ich verschieße wird in Inches angegeben. Wenn man ein Getränk im Supermarkt kauft, dann tut man dies in Litern, im Pub allerdings in Pint. Essen wird je nach Produkt in Gramm, Pfund (lb) oder als Leib (loaf) verkauft. Das kann gelegentlich sehr verwirren.
Allerdings scheint sich hier der Trend durchzusetzen (Globalisierung?) SI-Einheiten zu verwenden. Im Supermarkt zum Beispiel wird auf den Etiketten meist alles in Gramm umgerechnet (auch wenn das manchmal sehr ungerade ist). Wer weiß, vielleicht führen die Briten irgendwann wirklich Meter komplet ein. Zusammen mit dem Euro und Rechtsverkehr...
Durch mein Studium habe ich auch die Verwaltungsgliederung des Vereinigten Königreichs kennengelernt. UK ist das einzige Land was ich kenne, was dies nicht mal Ansatzweise einheitlich tut. Das Land hat nicht mal eine geschriebene Verfassung oder was vergleichbares. Jede gesetzliche Grundlage hat sich auf Basis von Erklärungen, Gesetzen oder ähnlichem entwickelt. Vieles ist auch ungeschriebene Tradition. Nehmen wir zum Beispiel das Planungsrecht. Wenn ich ein Haus bauen will, dann brauche ich eine Genehmigung. Es gibt zwar eine Grundlage auf der diese Genehmigungen erteilt werden, aber die ist nicht zwingend bindend für den Mensch der die Genehmigung erteilt. Das ist nicht so wilkührlich wie es wirkt, aber in der Vergangenheit habe sie hier deswegen ziemliche Probleme betreitet.
Verwaltungsbeamter: "Hey Cousin, du willst eine Fabrik im Naturschutzgebiet bauen? Eigentlich soll das ja nicht sein, aber ich will da mal nicht so sein. Da gibt es doch bestimmt auch einen 'Beraterposten' für mich?"
Es ist nicht mal so ganz klar was zu dem Staat gehört und was nicht. Die Isle of Man oder die Kanalinseln gehören nicht zum UK oder der EU, sind aber der Krone untergeordnet, haben aber eigene Gesetze. Die Isle of Man erlaubt im Verkehr so ziemlich alles (einziger Ort in Europa außerhalb Deutschlands in dem es kein allgemeines Tempolimit gibt). Die Kanalinseln haben eine "liberale" Steuerpolitik und horten das Geld, was nicht in die Schweiz will.
Wales, Schottland und Nordirland sind zwar Teile des UK, haben aber eigene Regierungen, die gewisse Autonomie besitzen. England hat kein eigenes Parlament, sondern wird "nur" durch die Commens in Westminster vertreten.
Dann gibt es noch die Kronkolonien oder ähnliche Einrichtungen in Übersee. Sie werden von London verwaltet, ohne das sie zum Staat selbst gehören (oder Abgeordnete wählen).
Plymouth ist übrings eine "unitary authority city" sowas wie eine kreisfreie Stadt und gehört deswegen Verwaltungstechnisch nicht zu Devon und verwaltet sich in vielen Belangen selbst. In anderen Punkten (in der Post zum Beispiel) wiederrum gehört es zu Devon, dem "ceremonial county". Fast im ganzen Rest von Devon spielt dieser "ceremonial county" sehr wohl eine größere Rolle. Dort wieder gibt es "districts", die auch in bestimmten Belangen sich selbst verwalten. Solche "districts" existieren wiederum aber nicht im ganzen Land.
Daneben gibt es auch große Ausnahmen wie "Greater London" (was man allgemein London nennt) was nicht vergleichbar mit einer "unitary authority city" wie Plymouth ist. Es ist viel mehr als das. Es ist mehr der Zusammenschluss von 32 formal selbstständigen Städten den "boroughs", welche auch bestimmte Autonomien genießen. Das alles soll allerdings nicht verbergen, dass der Staat immer noch sehr zentralisisch von London aus verwaltet wird.
Klingt unübersichtlich? Ist es auch. Aber das ist britisch...

Passend zum Thema habe ich mal wieder eine Schätzfrage:
Das Vereinigte Königreich hat ca. 61 Millionen Einwohner. Wie viel Prozent davon leben in England, also nicht in Schottland, Wales oder Nordirland?

4 Kommentare:

  1. Ich habe kaum Hoffnung, im Februar problemlos nach London, von dort nach Plymouth und dann wieder zurück zu kommen - in dem Verwaltungswirwarr. Lernst Du das beim Studium?
    Hoffe dann auf Hilfe.
    Ich glaube, ich bin doch zu deutsch...
    Die Frage beantworte ich mit gefühlten 80 %, die bevölkerungsreichsten Regionen liegen wohl in England selbst.

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  2. Es kann ja nicht überall ne DIN Norm geben ;-)

    Aber ich denke, dass ist alles nur ne Gewöhnungsfrage. Bildschirme werden bei uns ja auch in Zoll angegeben, und in den Supermärkten steht mal der Preis pro kg, mal pro g da und dann wieder pro Stück. Man kann halt keine Äpfel mit Birnen vergleichen.

    Ich würd übrigens auf 60% tippen.

    Liebe Grüße und gute Besserung, falls du immer noch erkältet bist.

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  3. Die Lösung sind tatsächlich ca. 82%. Pinatch hat die Antwort in graniosen 9 Minuten gegeben. Ich frage mich wie sie das gemacht hat ;-)

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