Donnerstag, 21. Oktober 2010

Sparen auf Britisch

Wenn man Deutschland über ausländische Innenpolitik informiert wird, dann kann man davon ausgehen, dass in dem betreffenden Land ein noch viel größeres Thema ist. So ist es gerade mit dem Haushaltsentwurf der Regierung Cameron hier im Vereinigten Königreich. Seit Wochen wird spekuliert wie es wohl aussehen wird, seit gestern ist es offiziel.
Chancellor George Osborne (der Kanzler ist hier der Finanzminister) hat seine Sparprogramm vorgelegt, was vorsichtig ausgedrückt radikal ist. Das Ziel ist das Haushaltsloch von über 10% in vier Jahren völlig zu stopfen. Dazu werden die Steuern erhöht (ab nächsten Jahr gilt hier eine Mehrwertssteuer von 20%, statt vorher 17%) und im nationalen Haushalt insgesamt fast 20% eingespart. Mir ist kein Fall eines Industriestaat bekannt, der etwas vergleichbares versucht hat und die Maßnahmen sind auch sehr umstritten. Auch bei Finanzexperten. Aber was bedeutet das für die Leute hier?
Einer der umstritten Eckpunkt betrifft die Einsparungen beim Militär. Das bedeutet einmal für Deutschland, dass die Rheinarmee (20.000 Soldaten) aus Deutschland entgültig abgezogen werden. Ich habe auch nicht mehr so richtig verstanden, was die 20 Jahre nach dem Ende des Kalten Kriegs eigentlich noch in Deutschland machen. Aber die Orte in Deutschland wo die waren, finden das bestimmt nicht so toll. Aber viel härter trifft es die Stützpunkte in GB selbst. Wie erklärt ist der größte von ihnen ja hier in Plymouth und die Leute hier, für die der Stützpunkt mit knapp 15.000 Mitarbeitern der größte Arbeitgeber ist, haben ein wenig bedenken, dass es sie besonders trifft.
Großbritannien hat immer noch aus vergangen Zeiten den Anspruch einer Weltmacht. Besonders die Marine ist da wichtig. Man leistet sich U-Boote mit Atomraketen (die sind hier in Plymouth) und Flugzeugträger. Allerdings steht hier weniger Geld zur Verfügung als in Deutschland. Die Flugzeugträger soll es weiter geben. Nur ohne Flugzeuge. Dafür ist kein Geld mehr da.
Viel kritischer finde ich allerdings die Reformen im Hochschulsektor. So willl die Regierung 80% (!) der Zuschüsse streichen und die Studiengebühren Obergrenze aufgeben. Die liegt bei ca. £3200 pro Jahr. In Zukunft könnte ein Studium £10.000 im Jahr alleine an Gebühren kosten. Die Spitzenunis Cambridge, Oxford oder die London School of Economy (LSE - auch sehr renomiert) werden sicher noch mehr verlangen. Junge Unis die nicht deren Reputation haben fürchten um ihre Existenz. Ob das für Plymouth gilt es noch nicht so ganz klar. Die Professoren haben aber wohl schon ein wenig Angst.
Es gibt hier übrigs ein bessers System zur Finanzierung eines Studiums als in Deutschland. Aber wer traut sich eine Ausbildung zu machen an deren Ende man mehrere zehntausende Euro Schulden hat?
Ein anderer Hammer sind übrings die Streichungen von Stellen im öffentlichen Sektor (Beamte, Polizisten, Lehrer und ähnliches). Eine halbe Millionen Stellen werden gestrichen. 10% aller Stellen.
Hilft dies GB zur Bewältigung der Krise? Wenn ich mein wirtschaftstheoretisches Wissen anwerfe (immerhin studiere ich das auch ein wenig), dann eher nicht. Die Regierung hier reagiert auf die Krise genau gegenteilig wie die in Deutschland oder in den USA. Dort werden massive Konjukturprogramme, teilweise sinnvoll, teilweise unsinnig (erinnert sich noch jemand an die Abwrackprämie?) aufgelegt. Das würde GB auch gut tun, weil die Infrastruktur hier doch ziemlich verbessert werden kann. Das behaupten zumindest Dozenten von mir und es deckt sich auch mit meinen Beobachtungen. Konjukturmaßnahmen haben den Charme, dass sie die Nachfrage ankurbeln können. Solche Sparmassnahmen wie hier werden wahrscheinlich eher die Krise verschärfen, weil sie die Binnennachfrage abwürgen. Wer kauft denn groß ein, wenn er kein Geld hat, oder befürchten muss bald kein Geld mehr zu haben. Kapitalismus braucht nun mal Konsum zum funktionieren.
Es erscheint wiedersprüchlich, dass der Staat wärend einer Krise mehr Geld ausgeben müsste, aber ein Staatshaushalt ist eben kein privater Haushalt. Deswegen gelten hier auch andere logiken.
Allerdings gibt es auch andere Meinungen, die sich übrings nicht zufällig auch mit denen der regierenden Tories und Liberalen decken. Aber ich bin der Meinung, dass die uns erst in die Krise geführt haben.
Wir werden sehen wir sich das Radikalsparen auswirkt, aber ich bin wenig zuversichtlich, dass es dadurch besser wird. Ich sage mal: Erhebt euer Bier Briten. Es könnte euer letztes für eine Weile sein!

6 Kommentare:

  1. >Es erscheint wiedersprüchlich, dass der Staat wärend einer Krise mehr Geld ausgeben müsste, aber ein Staatshaushalt ist eben kein privater Haushalt. Deswegen gelten hier auch andere logiken.<
    Genau das will mir nicht einleuchten - warum sollten für Staaten andere Regeln gelten? Ich kann nur Geld ausgeben, was ich auch haben. Alles andere kann nur auf Kosten anderer funktionieren und damit kein dauerhaftes Modell sein.
    Jeder 6. im öffentlichen Dienst? Klingt viel, aber wahrscheinlich ist es in Deutschland ähnlich.

    Naja bleibt als Fazit:
    sparen sparen sparen - koste es was es wolle

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  2. Hallo Alex,

    ja, von drastischen Einsparungen da hab ich hier auch was von mitbekommen, zumindest die 80% Gelderkürzung für Unis und Möglichkeit der Studigebührenerhöhung. Fand ich ganz schön krass.
    "Kapitalismus braucht nun mal Konsum zum funktionieren." Das ist etwas, was mich schon immer gestört hat, vor allem aus ökologischer Sicht. Auch so Gedanken wie "wenn alle Strom sparen, werden die Strompreise höher, folglich sollte man keinen Strom sparen, der Preis ändert sich ja effektiv nicht..."
    Naja, es gibt soooo vieles, worüber man sich nur aufregen kann.

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  3. Auch ich verstehe den Unterschied zum privaten Haushalt nicht wirklich.
    Ich habe meist den Eindruck, das bis zur nächsten Wahl gerechnet wird und ansonsten nach uns die Sinflut.
    Kapitalismus braucht Konsum zum Funktionieren...das ist nur zu wahr...bis zum bitteren Ende. Daher rührt doch unsere Wegwerfgesellschaft. Es wird künstlich Bedarf geschaffen, mit allen Mitteln, das ist krank.

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  4. Okay, ich merke schon. Politische Themen führen nur zu Aufregung...
    Ich halte mich demnächst zurück. Ich wollte gar das gar nicht so sehr werten. Ich wollte eigentlich nur wiedergeben was hier so diskutiert wird.
    Morgen wird es garantiert ein positivers Thema geben!

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  5. Magst Du Deine These gar nicht verteidigen? :)

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  6. Ich find's super, wenn du sowas schreibst!!

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